Tafelmalerei

Das Rosenheimer Retabel – Versuch einer Nachbildung 

Auf der Küchenmeisterei 2022 machte mich Tom Schäfer auf ein außergewöhnliches Stück aus dem bayerischen Nationalmuseum aufmerksam: einen Altaraufsatz aus dem späten 13. Jahrhundert, das sogenannte „Rosenheimer Retabel“. Es ist nicht nur einer der ältesten bemalten Altaraufsätze sondern stammt auch aus der Anfangszeit des mittelalterlichen Tafelbildes. Von der Gestaltung her erinnert es noch an ein Glasfenster: Der Hintergrund fehlt weitgehend, und schwarze Linien grenzen die einzelnen Farbflächen voneinander ab. Eigentlich lieben wir die Kunst des 12. Jahrhunderts, aber der Bitte das Retabel in halber Größe nachzubilden konnten Stefan und ich nicht widerstehen. Link zum Original im Bayerischen Nationalmuseum: 

Link zum Beitrag in der Sammlung unter Bayerisches-nationalmuseum.de

Gemalt wurde das Original mit Eitempera auf Fichtenholz über Kreidegrund. Das war für mich verwunderlich. Warum kein Hartholz? Und warum die relativ grobe Ausführung der Malerei? Wurden für die plastische Gestaltung des Randes Leisten eingesetzt oder der Malgrund ausgestemmt? Ein Besuch im Bayerischen Nationalmuseum sollte Klarheit bringen. Nachdem man uns ausgiebig durchsucht hatte (ja, wir sind Althippies und Stefan hat langes Haar, aber wir würden uns nie an Kunstwerken vergreifen) mussten wir feststellen, dass wegen eines Wasserschadens die ganze Abteilung Hochmittelalter geschlossen war. Ein bisschen mehr Klarheit hat der Besuch trotzdem gebracht: In Form und Größe ähnliche Retabel aus dem 14. Und 15. Jahrhundert waren klar ausgestemmt und nicht mit Leisten begrenzt. Fichtenholz scheint außerdem durchaus DER regionale Malgrund gewesen zu sein.  

Nachdem Stefan den Holzgrund ausgesägt und ausgefräst hatte (halbe Größe des Originals, 80 mal 25cm) konnte ich mit dem Kreide- Hautleimgrund beginnen. Anschließend erfolge die Vorzeichnung mit echtem Bleistift. Obwohl die Bleistifte, die Stefan gießt, leider gesundheitsschädlich sind, sind sie für Vorzeichnungen auf Pergament oder Kreidegrund optimal: Sie stumpfen kaum ab und vor allem verschmieren sie nicht und färben auch nicht in die darüberliegenden Farbschichten ab. 

Der nächste Schritt war das Vergolden. Ich hätte mir die Vergoldung des Originals gern näher angesehen, um zu schauen, ob Poliment verwendet worden wäre. Da das Bildmaterial nicht danach aussah, habe ich darauf verzichtet. Die Vergoldung erfolgte mit Blattgold und einem Anlegemittel aus Fischleim und Zuckerwasser. Das funktionierte besser als meine Vergoldeversuche mit Eiweiß und Honig, aber mit Kautschuk-Anlegemilch kann es nicht mithalten. So mussten einige Stellen mehrfach nachvergoldet werden.  

Dann konnte die Bemalung beginnen. Verwendet wurden ein Malmittel aus Vollei, Leinöl und Gummi Arabicum und die Pigmente gelber Ocker, Eisenoxid, Titanoxid (anstelle von Bleiweiß), Umbra und Russ. Probleme gab es bei dem leuchtenden Türkisblau des Originals: Anfangs versuchte ich die blauen Stellen mit Lapislazuli Pigment hinzubekommen, aber Lapislazuli reagiert mit Leinöl und heraus kommt ein stumpfer Petrolton. Ein Versuch mit Azurit funktionierte etwas besser. Trotzdem finde ich dem Blauton meiner Kopie unbefriedigend. Eventuell hatte die Originalfarbe keinen Leinöl Anteil sondern bestand nur aus Ei, Wasser und einem Pflanzengummi. Das würde aber stark auf Kosten der Haltbarkeit und Wasserfestigkeit gehen. In den Quellentexten zur Malerei ist auch gelegentlich Haut- oder Hasenleim zusammen mit Ei als Bindemittel verwendet, vielleicht wäre das die korrekte Farbmischung gewesen. Aber auch tierische Leime sind alles andere als wasserfest. 

Für den schwarzen Hintergrund wurde Russ als Pigment verwendet, aber die feinen Details der Falten und Gesichter gelangen mir damit anfangs nicht besonders gut. Am Ende habe ich Eisengallustinte verwendet: einmal getrocknet, ist sie wasserunlöslich und geht nie wieder ab. Und man kann sie feinst mit der Feder oder einem winzigen Pinsel auftragen. Da machte sich dann der Fichtenholzuntergrund zusammen mit der halben Größe zum Original bemerkbar: Egal, wie gut man Fichte grundiert oder schleift, es bleibt immer ein relativ unruhiger Untergrund, und feiner hätte ich die Bemalung auch nicht hinbekommen. 

Ein paar Worte zum Malmittel: Es gibt eine Vielzahl historischer Malmittel aus verschiedenen Anleitungsbüchern, und ich habe zur Bemalung von Holz auch Einiges ausprobiert. Ich hatte anfangs immer wieder Probleme mit Rissen in der Bemalung. Wie bei den mittelalterlichen Kochrezepten sind die Mengenangaben nicht immer klar und können bzw müssen interpretiert werden. Vermutlich gab es so viele Malmittel wie Maler. Mein Rezept zur Bemalung von Holz, das sich bewährt hat und auf der Basis der historisch korrekten Zutaten steht, ist inzwischen Folgendes: 

1 ganzes Ei (abwiegen!) und die gleiche Menge Leinöl und Wasser verquirlen und durch ein Tuch gießen, 2 Tl Gummi Arabicum darin lösen. Ich verwende Leinöl, das ich in größeren Mengen abkoche und dann in einem offenen Gefäß mit einem Tuch darüber auf dem Fensterbrett stehen lasse. Dadurch kann eine kürzere Trocknungszeit erreicht werden. Eine Zugabe von Balsamterpentin erhöht die Elastizität der Farbe, aber auch die Trocknungszeit. Das ist eher bei Schildbemalung nötig und weniger beim Bemalen von Holztafeln oder Spandosen. Trotzdem: Auch bei dem einfachen Rezept scheint die Farbe nach einem Tag trocken, ist es aber nicht wirklich. Bis der Farbauftrag wirklich unempfindlich ist (und eine Spandose geschlossen werden kann) vergehen gut und gern 4 Wochen, bei kaltem Wetter noch mehr. 

Probiert das Malmittel gern mit den günstigeren Pigmenten (Ocker, Eisenoxid, grüne Erde) aus, es ergibt eine wunderbare und unempfindliche Farbe. Vielleicht kann ich ja jemanden inspirieren, seine Replika nicht mit Acrylfarbe zu bemalen? 

By the way: Wenn jemand mit knallblau bemalten Möbeln ums Eck kommt und euch erzählen will, wie teuer der Lapislazuli für seinen Stuhl oder für seine Truhe war: Ihr wisst jetzt, was ihr davon zu halten habt!